Das Deutschlandticket erfreut sich recht großer Beliebtheit. Nahverkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist angenehmer als ständig irgendwo, im Stau zu stehen. Die Nutzung für größere Entfernungen bringt einige unliebsame Überraschungen mit sich. Einige Regionalzüge transformieren sich im Kleingedruckten zu IC-Zügen, bei denen die Deutschlandticketfans dann aufgefordert werden, den Zug zu verlassen. Regionalbusse versuchen ebenfalls oft mit zweifelhaften Methoden, extra nochmals abzukassieren. Es ergibt sich daher gesicherte Eindruck, dass für die Bundesbahn das Deutschlandticket eine ziemlich lästige Überforderung darstellt. Bei den Reisenden, die gerade auf die Bahn umgestiegen sind macht sich das Gefühl breit plötzlich zu einer Gruppe von Personen zu gehören die ständige Mobbingerfahrung macht. So machen wir völlig neue Erfahrungen. Das überlastete Personal, das ebenfalls genervt ist von den Planänderungen durch Baustellen, gibt den Frust an die Kundschaft weiter. So wird die Verkehrswende nicht gelingen. Umdeklarieren von Zügen heißt in der Region eigentlich Etikettenschwindel, der Verbraucher kann ja auf das Kleingedruckte verwiesen werden. Nach 6 Monaten Deutschlandticket hätten doch schon einige solcher Hinweise zu Verbesserungen führen können. Hätte, hätte …, genau nehmen wir öfters das Fahrrad als Transportmittel. Das ist noch gesünder.
Sichtweise
In vielen Fällen stimmt die eigene Sichtweise nicht mit der Sichtweise von anderen überein. Das kann sich bei Personen bis hin zu Persönlichkeitsstörungen auswachsen. Bei ganzen Gesellschaften, Kantonen oder Regionen führt die verzerrte Selbstwahrnehmung zu gewissen Befremdlichkeiten oder Entfremdung. Die Lokalpresse der Südostschweiz zeigt zwei fröhliche BauarbeiterInnen, die gemütlich auf ihre Baustelle zuwandern. Weit gefehlt. Der Helikopter hat längst die Hauptarbeit übernommen und diese BauarbeiterInnen (à la Heidi) gehören einer Vergangenheit an, die längst untergegangen ist.
Aber Zeitungen verkaufen sich lokal wohl besser, wenn sie an dem idyllischen Bild der Vergangenheit als Selbsteinschätzung und Selbstvergewisserung festhalten. Die Fremdsicht kommt eben auch nur von Fremden. Die Personen zahlen letztlich gerne für den Lift, um das Naturspektakel der Alpen auf 2000m noch eindrucksvoller erleben zu können. Dabei wäre mit Bussen und einer kleinen Bergwanderung dasselbe Panorama bei höherer Endorphinausschüttung zu erleben. Ob es für das Transportieren der Mountainbikes im Sommer nach oben und mehr Skifahrenden bei weniger Schneegebieten im Winter eine solche Investition benötigt, die noch mehr Grünflächen verschwinden lässt, bleibt äußerst fraglich. Der Kampf zwischen Mountainbikern und zu Fuß gehenden Personen wurde bereits durch getrennte Strecken entschärft. Zwischen den Menschen, nicht aber die weitere raumgreifende Nutzung der Natur.
Moped
Im Osten Deutschlands schwören viele Moped Enthusiasten auf ihre Schwalbe. Italienische Mopedliebhabende wollen immer nur Vespa fahren. In den 70er Jahren gab es bereits eine kleine platz- und energiesparende Alternative. Das war die Honda Dax. Als Moped zu haben mit 50cm³ Motor bis zum Motorrad mit 125cm³ bekannt als Monkey-bike. Der 4-Takt-Motor erlaubte geräuscharme, niedrige Drehzahlen. Dazu gab es eine Fliehkraftkupplung, besser bekannt als Halbautomatik mit Fußschaltung. Tanken mit Benzin ohne Ölbeimischung, was die Mobilität einfacher machte und mal vom Reservekanister getankt werden konnte. Reichweite ohne nachtanken, ça 70 km.
Im Juli 2023 habe ich noch einige Exemplare in einem autoberuhigten Ferienort an der Nordsee gespottet. Das Motorrad wird 2023 mit 1,5 Liter/100km ausgewiesen. Eher zeitgemäß ist die elektrische Variante, die sich sauber in der Garage oder direkt an der Solarzelle laden lässt. Das hat ungefähr ein halbes Jahrhundert gedauert. Umweltbewusstsein fällt nicht vom Himmel. Der Elektromotor bietet mit 800W. Das ist mehr Kraft als ein Pedelec. Da steht einem Ausflug zu zweit, nicht zu weit, nichts mehr entgegen. Bevor die Emotionen die Überhand nehmen, mache ich meinen täglichen Spaziergang.
Covid-19 Experiment
Die Corona-Pandemie kann aus unterkühlter, wissenschaftlicher Perspektive mit einem der größten weltweit parallel stattfindenden Verhaltensexperiment gleichgesetzt werden. Welche Personengruppen halten sich an die AHA+L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske + Lüften). Wie reagieren Menschen auf Regelbrüche von anderen. Welches Vertrauen wird der sich mittels Falsifizierung (Popper) weiter-entwickelnden hypothesengeleiteten Wissenschaft entgegengebracht. Wie funktioniert die rasche Übersetzung von Forschungsergebnissen in die tägliche Lebenswelt von Millionen Bürger:Innen. Neben den erschreckend vielen Coronatoten gab es in 2020 jedoch 10% = ca. 30 weniger Verkehrstote in Deutschland. Mit Verkehrsberuhigung und mehr Homeoffice sinken scheinbar auch die Anzahl der Toten auf unseren Straßen. Die Zahlen vom Statistischen Bundesamt legen das nahe. Die saisonalen Effekte korrelieren inetwa mit Lockdownzeiten. Im Sommer kommen die Motorradfahrenden und Fahrradfahrenden vermehrt dazu. In Ländern mit strengerem Lockdown sollten noch weniger Verkehrstote und Verletzte auftreten. Das Verhaltensexperiment, wie eine Tempobeschränkung auf Autobahnen zeigt in einigen europäischen Nachbarländern, dass solche Verhaltensänderungen Leben erhalten. “Die Zahl der Unfälle, bei denen Menschen verletzt oder getötet wurden, ging um 11,8 % auf rund 264 900 Unfälle zurück” schreiben die Statistiker. Mit Willy Brandt würde ich sagen: Nicht nur mehr Demokratie wagen, sondern auch Verhaltensänderungen wagen. Fuß runter vom Gas. Die Pandemie lässt uns fundamental über Gewohnheiten nachdenken. Weniger Verkehr hat auch positive Nebenwirkungen.