Bücher weg

Bücher, die lange weg waren, können wiederkehren. Das ist die gute Botschaft, die durch die digitale Bibliothek der verbrannten Bücher erzeugt wird. Vergleichbar der erneuten Aufführung von Komponierenden, deren Werke wieder in fantastischen Klangwelten erlebbar werden.  Der 90. Jahrestag der Bücherverbrennung durch die Nationalsozialisten markiert meistens nur ein einmaliges Ereignis (10.5.1933 Berlin) in dem brutalen Aufstieg der Nationalsozialisten. Tatsache ist jedoch, dass sich die Bücherverbrennungen über mehrere Wochen hingezogen haben. Ein Beispiel ist die Bücherverbrennung in Potsdam Babelsberg am 24.6.1933. Viele andere Orte warten auf ihre Aufarbeitung. Erneutes Lesen dieser Bücher ist eine Würdigung der geächteten SchriftstellerInnen. Werner Treß wurde im Deutschlandfunk am 12.5.2023 dazu interviewt und beschreibt die erschreckende Hetze, die dabei von den Studentenverbindungen ausgegangen ist.
Erneutes Verlegen dieser Bücher hält die Erinnerung an die „verbrannten Dichter“ wach und verdeutlicht, wie der Einstieg in die grausame Diktatur ablief. Literatur hat neben der Funktion der Unterhaltung und der schönen Künste, sicher eine zusätzliche Aufgabe, die der Verteidigung der Meinungsfreiheit. Dazu gehört das Tolerieren unangenehmer Meinungen, solange sie die unveräußerlichen Menschenrechte berücksichtigen. Dazu ebenfalls ein Hörbeitrag im DLF. Nicht jeder hat die Courage wie der bayerische Schriftsteller Oskar Maria Graf, der solidarisch verkündete, verbrennt mich auch, mit der Konsequenz, unmittelbar ins Exil gehen zu müssen. Exilliteratur ist heute noch vielfach vorzufinden. Salman Rushdie, beispielsweise ist erst kürzlich einem Anschlag entgangen. Lesen all  dieser SchriftstellerInnen würdigt ihre Beiträge und ihre Bücher bleiben. (online Link)

5000

5000 Köpfe. Wer war was im Dritten Reich” enthält eine alphabetische Liste der Hauptschuldigen und Belasteten. Gut, dass es dazu bereits auf Wikipedia eine kleine Diskussion gibt mit weiterführenden Literaturhinweisen. Die viel jüngeren ausführlich recherchierten Arbeiten zu den Kreisleitern in Süddeutschland haben 250 Mitwirkende gebraucht, damit eine gründliche Archivarbeit möglich wurde. Zu der Recherche von Dr. Proske u.a. lässt sich lediglich das Organigramm zu den Funktionsbereichen eines typischen Kreisleiters ergänzen. Eine solche Übersicht verdeutlicht, woher die Analogie mit den “kleinen Herrgöttern” kommt. Machtfülle, angehäuft in einer Person, erleichtert selbstherrliche Willkür in der Amtsausübung. Das gleiche Verhalten findet sich bei den berufsspezifischen Biografien zu den Planern und Architekten in der Ausstellung “Macht Raum Gewalt” der Akademie der Künste, die damit gleichzeitig eine Aufarbeitung dieser Profession leistet. Viel lieber würdige ich hier die Biografien der deutschsprachigen Frauen, die sich couragiert der französischen Résistance angeschlossen haben und ihr Leben riskiert und vielfach verloren haben. Positive Leitbilder brauchen wir, besonders wieder in Zeiten in denen Zivilcourage nötig ist, nicht nur in Deutschland.

Macht Raum Gewalt

So heißt der Titel der umfangreichen Ausstellung im Haus der Akademie der Künste, direkt neben dem Brandenburger Tor. Nur 3 Monate bis 16.7.2023 lässt sich durch die Architektur, Planung und Umsetzung zur Zeit des faschistischen Regimes in Deutschland taumeln. Angesichts der monströsen Verbrechen und der unterliegenden ideologischen Doktrin wird die Frage „macht Raum Gewalt?“ auf 2-fache Weise beantwortet. (1) Raum macht Gewalt und (2) Gewalt macht Raum. Das gestalterische Element von Architektur schafft Räume, die individualisieren, personalisieren oder entpersonalisieren können. Die Uniformität im Faschismus kreiert eine visuelle Sprache, die durch ihre Art Räume und Räumlichkeiten zu gestalten gezielt entpersonalisiert. Gewalt- und Machtausübung fällt darin leichter. Räume und Gebäude wurden der Menschlichkeit enthoben, gebaut, den Menschen zu überleben.
So fällt es in entpersonalisierten, bewusst überdimensionierten Raumkonzepten, leichter Gewalt gegen Menschen vorzubereiten und durchzuführen. Die 1. These „Raum macht Gewalt“ lässt sich sozusagen empirisch in der Ausstellung durchwandern. Die 2. These „Gewalt macht Raum“ wird ebenso eindringlich durch die Dokumentation der Zwangsarbeit, Konzentrationslager und massenhaft ausgeübten physischen und psychischen Gewalt durch die herrschenden Faschisten verdeutlicht. Wenn Wörter und Stimmen von Augenzeugen zu fehlen beginnen, werden die Texte, Zeichen, Bilder und Stummfilme zu Dokumenten, wie mit Gewalt Raum gemacht wird. Der expansionistische, imperialistische Drang der Faschisten machte vor keinen Grenzen halt. Juristische Grenzen, menschenrechtliche, moralische oder Landesgrenzen spielten keine Rolle mehr. Rechtsbeugung und Missbrauch war an der Tagesordnung, um Raum, Macht und Gewalt menschenverachtend durchzusetzen.
Die architektonischen Nazi-Hinterlassenschaften, weiterhin sichtbar in Berlin, München und Nürnberg werden nur in den markantesten Bauwerken dokumentiert. Das reicht schon, den historisch bewussten Blick zu schulen. Selbstverständliches Hinnehmen von diesen Anblicken verbietet sich. Das Übertünchen des Adlerkopfes mit weißer Farbe, Symbol für den amerikanischen Adler, sollte in uns die Dankbarkeit für die Befreiung von der Nazi-Diktatur festigen und dazu beitragen, den Tag des Sieges 8.5.1945 der „Alliierten Streitkräfte“ als Tag der Befreiung zu feiern.