Bauer

Ein Bauer im Schachspiel kann spielentscheidend sein. Ist der Bauer erst einmal jenseits der gegnerischen Angriffs- und Verteidigungslinien am Ende des Schachbretts angekommen, kann er in die Figur seiner Wahl eingetauscht werden. Wir sollten den Bauer also nicht in seiner Bedeutung unterschätzen. Das trifft auch auf Fritz Bauer zu. Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, Mitbegründer der Zeitschrift Kritische Justiz, hat die deutsche Justiz in besonderem Maße herausgefordert. Durch seine Anklagen hat er viele der aus der NS-Zeit belasteten Richter angeklagt und entschieden an der Verfolgung und Verurteilung von Adolf Eichmann mitgewirkt.
Dieter Schenk hat in seiner Dokumentation und einem fiktiven Interview eines Journalisten mit Fritz Bauer die Persönlichkeit anhand seiner Schriften und Interviews lebendig als Theaterstück inszeniert. Bereits 2x in Polen aufgeführt, hat die Deutsch-Polnische Gesellschaft Berlin e.V. zu ihrem 50. Jubiläum zusammen mit dem Bund ehrenamtlicher Richterinnen und Richter, Landesverband Brandenburg und Berlin dieses Werk im Oberverwaltungsgericht Berlin Brandenburg zur Aufführung gebracht. Frank-Walter Steinmeier hat die Arbeit von Fritz Bauer mit folgenden Worten gewürdigt: … vielmehr ging es Fritz Bauer darum, die Deutschen zu immunisieren, sie vor einem erneuten Rückfall in die Barbarei zu schützen.“ Das ist heute noch genauso wichtig wie in der Vergangenheit. Der historische Gerichtssaal des OVG BB in der Hardenbergstraße in Berlin bot dafür eine eindrucksvolle Kulisse. So voll war der Saal noch selten, betonte der Hausherr.  Den Besuchenden viel sicherlich auch die Gedenktafel mit den Namen der von den Nazis entlassenen Richter auf dem Weg zum Plenarsaal im Treppenhaus auf.
Eine stille Anklage richtete sich in dieser Veranstaltung eben auch in Richtung Polen, die Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Richterinnen und Richter zu gewährleisten. Deutschland hat sich historisch viel Schuld aufgeladen, umso mehr Verantwortung haben wir jetzt, uns für diese wichtigen Grundrechtsprinzipien einzusetzen. Der Verein „Gegen Vergessen, Für Demokratie e.V.“ soll als Ko-Organisator unbedingt mitgenannt werden. Hans-Josef Schöneberger und Uwe Neumann als Schauspieler und Ian Melrose mit seinen Intermezzi auf der Gitarre haben eine tief beeindruckende Atmosphäre geschaffen. Es wurde klar, dass Recht, selbst Verwaltungsrecht viel mit Streitigkeiten verbunden ist. Die Befriedungsfunktion des Rechts wirkt oft erst über Generationen hinweg.
Ich wäre gespannt zu wissen, in welche Schachfigur sich Fritz Bauer am anderen Ende des Schachbretts hätte eintauschen lassen. Mein Tipp, vielleicht als Turm wichtige horizontale und vertikale Linien besetzen oder doch ein Springer, der nicht einfach zu berechnende Sprünge leisten kann. Von einigen seiner Verehrenden wird er auch als König gehandelt, der allerdings, wegen seiner Verwundbarkeit, oft anscheinend ohnmächtig im Zusammenspiel mit den anderen starken Figuren agierte.

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