Kriegsenkel

Bereits in 2009 folgte das Buch „Kriegsenkel – Die Erben der vergessenen Generation“ auf das Buch über die Kriegskinder 2004 von Sabine Bode. Im Vorwort zur 9. Auflage in 2014 wird deutlich wie sehr es weiterhin nötig ist, sich mit Familienlegenden und Familienbeziehungen zu befassen, wahrscheinlich auch wegen des lieben Familienfriedens willen. Selbst etwas überraschend berichtet Sabine Bode, dass so viele Kriegsenkel das Buch über die Kriegskinder gelesen und diskutiert haben. Es ginge dabei nicht um Schuldzuweisungen, sondern eher darum, sich über eigene Verunsicherungen, Unausgesprochenes und bisher Unbewusstes klar zu werden. Sabine Bode schreibt über die „Familiengespenster“ oder wie der Titel des ersten Kapitals heißt. „Gespenster aus der Vergangenheit“. Otfried Preussler mit seiner Mitläuferbiografie hat mit dem kleinen Gespenst versucht, eine positive Wendung für Familiengespenster, zumindest als Fiktion zu generieren. Der Versuch einer beispielhaften Immunisierung gegen NS-Versuchungen bringt dann sein etwas düsteres Buch Krabat.
Sabine Bode interviewte auch die Kriegsenkel und berichtet von einem bei vielen vorhandenen „verunsichertes Lebensgefühl“. (S.21). Sicherlich ist die sexuelle Revolution in den späten 60er und 70er Jahren viel daran beteiligt, dass die Kriegsenkel weniger und viele keine Kinder bekommen. Dennoch lässt sich nicht ausschließen, die Verunsicherung der Kriegsenkel hat ebenfalls zu dem Rückgang der Geburtenraten beigetragen. Das ist allerdings kein einfaches empirisches Unterfangen. Starke Rückgänge der Fertilität in Kriegsalliierten Nationen Japan und Italien weisen in eine vergleichbare Richtung, aber es lassen sich auch Gegenbeispiele aufführen. Verunsicherung der Identität der Eltern kann sich noch bei den Kindern als Orientierungslosigkeit äußern. Bode zitiert selbst (S.22) aus einem Theaterstück von Fehling über das Beziehungsgefälle zwischen Kriegskinder und Kriegsenkel. Die Enkelin gesteht darin etwas frustriert, Sorgen macht sich ihre Mutter gerne, „aber immer nur um sich selbst“. Anders als intrinsisches Mitgefühl eignet sich das Kriegskind lediglich die Missgeschicke der anderen an, sozusagen in der Relevanz für sie selbst. Weitere anekdotische Evidenz dazu weist auf einen hohen Wiedererkennungsgrad dieser Geschichte hin. „Risiken und Nebenwirkungen“ eben auch für die Kriegsenkel und Kriegsenkelinnen.