Die Ankündigung im Programm der Staatsoper in Berlin zur Aufführung von 2 Tanzstücken (1) Alexander Ekman und (2) Sharon Eyal im Programm spricht dementsprechend von Tänzer:innen des Staatsballetts Berlin mit Musik vom Tonträger. Das hohe Haus hat es mit den beiden Stücken geschafft, das reformierte Ballett in das 21. Jahrhundert zu retten. Dazu gehört neben neuen Bewegungsformen, die freieren Umgang mit dem Standardrepertoire des Balletts erlauben, auch die Musik der jungen Generation in die Staatsoper reinzulassen. Ja genau, dazu gehört Technomusik in der Staatsoper. Das Publikum hat sich deutlich verjüngt und so manchem älteren Herrn oder Dame fliegt da schon mal das Blech weg. Die Clubszene in Berlin hat ihre balletttänzerische Erweiterung gefunden mit ihrer Musik als Kunstform. Das gelingt besonders durch die Musik von Ori Lichtik „Strong“. Die provokanten Kostüme, die gekonnt mit Genderrollen spielen, ergänzen auf eindrückliche Weise die kraftvollen Ausdrücke der Tanzenden. Anspielungen an Maurice Béjart’s Bolero oder „Le sacre du printemps“ erfreuen Tanzbegeisterte. Gruppendynamik, Solo und Pas de Deux bauen dennoch auf dem klassischen Figuren- und Konstellationsrepertoire auf. Auch oder gerade in der Clubszene der Realität gibt es die Feuervögel, Flamingos und schwarzen Schwäne. Zur Vorbereitung auf den Tanzabend empfiehlt sich der Besuch in einem der Berliner Clubs. Gerne auch einmal wieder in den Berliner Zoo gehen und die Haarpracht der Orang-Utans in der Bewegung bewundern. Die uns genetisch sehr Verwandten haben uns in puncto Haarpracht, besonders auch im Alter, einiges voraus. Mehr Bewegungsfülle und Begeisterung für Bewegung wecken beide Stücke auf nachhaltige Weise. „Nobody leaves the room unmoved“. Ein bewegender, tänzerischer Abend Unter den Linden.
Tanz in Berlin
Anne Teresa De Keersmaeker hat mit ihrer Kompanie “Rosas” in dem Stück “Dark Red” in der Neuen Nationalgalerie eine traumhafte Inszenierung ihrer Choreografie verwirklichen können. Zu modernen Klängen einer Querflöte tanzt in dieser riesigen leeren Halle die Choreografin erst selbst bevor eine andere tanzende Person auftritt. Wenige überschwengliche Sprünge oder ausgreifende Bewegungen begleiten die Live-Musik. Nahezu reflektierte, introvertierte Bewegung setzt Kontrapunkte zu der verschwenderischen Architektur von Mies van der Rohe. Die Eingangshalle der Neuen Nationalgalerie ist eine Bühne, wie sie die Choreografin De Keersmaeker liebt, hat sie doch feste Engagements in klassischen Opernhäusern abgelehnt wegen der Beengtheit der Bühnen und Blickwinkel. Die 360° anzusehende Performance und beliebig sitzende oder stehende Zuschauende sind Teil des Konzepts “Dark Red”. Zum Abschluss geht die tanzende Botschaft raus in die Welt und löst das Bühnenkonzept auf. Eindrückliche Bilder entstehen so, die stärker und nachhaltiger sind als das klassische Repertoire, durch Anlehnen an Streetdance und Reflektionen über Bewegung, Raum und Grenzen. Schade, dass es nur 3 Tage mit jeweils 3 Performances Ende März 2022 gab. Vor der einmaligen Kulisse der Nachbarbauten erlaubte das Zusehen wechselnde Bühnenbilder und Erinnerungen an die offenen Ateliers der Berliner Tanzwochen. Nur das Publikum blieb noch etwas steif am Samstag morgens um 11 Uhr. Auf dem Foto unten im Profil ist die aktive Tanzende und Choreografin gleichzeitig Teil und Kopf der Performance.
Kreativ
So wie die Generation der älteren Personen sich auf die Covid-19 Einschränkungen eingestellt hat, so macht das auch die jüngere Generation. Die unter 25 oder unter 35 Jährigen hatten schon seit einigen Jahren ein fundamental anderes Medienkonsum- und produktionsverhalten als andere Generationen. Dies hat sich wohl in der jetzigen Krise nochmals verstärkt. Online Nutzung von sozialen Medien und Streaming Diensten haben sich weiter verstärkt (Statistik dazu Link). Aber anders als zu jammern, hat auch diese Generation “in die Hände gespuckt” und eben auf ihre kreative Weise Kultur, Musik, Workshops, Tanz und Gemeinsamkeit in virtuelle Party- und Erfahrungsräume verlegt. “StayAtHome” ja, aber wir lassen uns den Spaß nicht verbieten.
Neue Verknüpfungen von mehreren Intiativen haben sich gesucht und gefunden. Ein gegenseitiges Unterstützen und Miteinander durch die Durststrecke findet statt. Solidarität wächst in der Generation der vermeintlichen Individualisten auf neue Weise. So wird von den Jüngeren eine virtuelle Plattform gebastelt, Gruppen von Künstlern und Freischaffenden vernetzt und gleichzeitig noch Spenden eingesammelt. Das Drunter & Drüber Festival ist ein spannendes Beispiel. Auch vor einem Namen wie dem “Dies | Das Kollektiv” schreckt die junge Generation nicht mehr zurück. Spannende Stories entstehen und viel Gemeinsinn in einer Krise, die uns in unsere oft zu kleinen Stuben einsperren musste.
Ich verrate jetzt nicht in welchen Workshops wir uns beteiligt haben. Spaß hatten wir auf jeden Fall und dazugelernt haben wir wieder viel, dieses Mal von der engagierten Jugend. Streaming-Plattformen für Gamer und Kunstschaffende, wie Twitch, kannte ich bisher nur aus Computerfachzeitschriften. Das hat sich nachhaltig verändert.
Mit dem Dies | Das Kollektiv gings Drunter&Drüber und weiter in der Szene mit . Wer sagt hier Deutschland kann nicht digital? Herzlichen Glückwunsch!
Weitere Aktivitäten und Spendenaufrufe finden sich bei UnitedWeStream.berlin oder der ClubCommission.de