Diplomatin

Der Roman von Lucy Fricke über Diplomatie und Diplomaten ergänzt in recht unterhaltsamer Weise die eher trockene und abstrakte Literatur zur internationalen Politik. Gute Bettlektüre für den politisch interessierten Menschen, der gerade im Urlaub ist. Diplomatie schläft nicht und macht wenig Urlaub. Urlauber dagegen machen den Diplomaten oft ganz schön zu schaffen. Die geduldigen Mittel und Wege der Diplomatie sind nun wirklich nicht jeder Frau oder Manns Sache. Wenn sich Emotionen einmischen wird die diplomatische Herausforderung zu einem nahezu unauflöslichen Konflikt. Diskretion und Verschwiegenheit sind elementar in diesem Beruf. Geduldsproben an der Tagesordnung, ständig und bei allen Dienstgeschäften. Ein nachvollziehbarer Einstieg in diese Berufswelt in Form eines Romans sollte Pflichtlektüre für alle sein, die sich diesem Berufsfeld oder der Aufgabe annehmen wollen. Gut, dass es eine Diplomatin beschreibt. Das gibt eine erfrischende neue Perspektive. Vielleicht auch Anregung über eine feministische Aussenpolitik nachzudenken.

Wenig beleuchtet werden die politischen Umstände, die nur als Staffagen für die Erzählungen herhalten müssen. Taksim Platz samt Wasserwerfer interessiert wohl nur am Rande. Das ist schade, weil es verpasste Gelegenheiten sind, Menschenrechtsverletzungen zumindest kurz anzusprechen. So kratzt die Erzählung nur an der Oberfläche von Personen und dem wirklichen Geschäft der Diplomatie. Aktion in den Vordergrund zustellen ist gut für die Story und Verfilmungen, aber der Kern der Diplomatie muss anders aussehen. Etwas Heimaturlaub konfrontiert die Diplomatin dann erneut mit der weitreichenden Gleichgültigkeit gegenüber der diplomatischen Arbeit. Leben organisieren und Aufräumen bleiben auch im Privatleben der Diplomatin eine Herausforderung der Work-life balance.

Katzengeflüster

Für viele schwierige Situationen braucht es Eisbrecher. Im übertragenen Sinne jedenfalls erfüllen täglich Hund, Katze, Maus diese Funktion. Sich unbefangen über Tiere unterhalten, sich dabei näherkommen oder einfach nur in Kontakt treten, wird heute von PsychologInnen vielen Personen empfohlen. Das war schon bei den Ägyptern und Römern so. Im späten Mittelalter, seit den Verwerfungen in Europa durch die Reformation und Glaubenskriege, brauchte es ebenfalls solche Hilfsmittel für Durchbrüche in der Diplomatie. Der Roman von Nils Minkmar „Montaignes Katze“ strickt seine Geschichte über Geschichte und Ideengeschichte im Mittelalter um eine solche Anekdote. Kinder können ebenfalls solche Anlässe bieten, Menschen zusammen zu bringen und zu vermitteln. Erfahrene Ältere, die sich nach weniger Turbulenz, aber mehr Toleranz sehnen auch.
Diplomatische Missionen, wie sie Montaigne aufgetragen wurden, haben etwas mit Pferdeflüstern, Katzenflüstern oder eben Majestätsflüstern zu tun. Wie bringe ich einen in seiner Rolle hinreichend zufriedenen, desillusionierten Herrschenden dazu eine Mission anzunehmen, die äußerst ungemütlich, wenn nicht tödlich enden kann? Ein neues Narrativ muss her. Eine erhellende Inszenierung gehört ebenfalls dazu. Genau das erzählt das diplomatische Lehrstück von Nils Minkmar am Beispiel der Zeit des späteren Heinrichs des Vierten. Die eindrückliche Statue lässt sich heute in Paris bewundern, aber kaum eine/r der Passanten interessiert sich noch für die Geschichten dazu.
Noch interessant für uns? Sicherlich. Üben in Toleranz ist ein wahrlich ein lebenslanges Unterfangen und will immer wieder neu praktiziert werden. Stöbern im Werk von Montaigne ist einfach über die Uni Chicago möglich (auf französisch, bien sur) mit Schlagwörtern z.B. “cité”. 10 Einträge zum Thema Katze “chat” im Original sind ebenfalls darüber in “Les Essais” zu finden.