In Berlin türmen sich als ökologisches Desaster die nicht verkauften Zeitungen auf. Darunter gerade der in neuer Aufmachung erscheinende Tagesspiegel. Mal gespannt, ob dieses teure Experiment gelingen wird. Mit sorgfältig recherchierter Kritik des kulturellen Schaffens und der etablierten Häuser rühmt sich der Tagesspiegel nicht gerade. Vielleicht ist das ein Grund, warum die beständig weniger werdenden Zeitunglesenden ebenfalls auf andere Medien umsteigen. Eine Kritik, wie die von Ulrich Amling im Tagesspiegel vom Dienstag 6.12.22 Seite B24 braucht wohl keiner. Soll er doch besser gleich Bratwurst essen auf dem benachbarten Weihnachtsmarkt. In dem neuen Format des Tagesspiegel finden sich die Kritiken eh jetzt ziemlich weit am Ende, wo der eilige Lesende meist nicht hinkommt vor dem Einschlafen. Ich würde eher davon ausgehen, dass solche Kritiken etablierte Lesende abschrecken. Für Berliner Schnauze oder Wutbürgerniveau im Kulturteil muss ich kein Geld bezahlen. Die internationale Besetzung und Ausrichtung mit Regie Satoshi Miyagi erlaubt Berlin internationale Aufmerksamkeit zu erlangen jenseits des Berliner Inner Circles von Freund- und Feindschaften. Auf der Webseite der Staatsoper lesen wir: “Ein japanisches Inszenierungsteam um den Regisseur Satoshi Miyagi taucht Mozarts »Mitridate« in ein zauberhaftes Ambiente …”. Das lese ich dann umformuliert im Tagesspiegel auch genannt Spitzel: “Unter den Linden taucht derweil ein japanisches Team um Regisseur Satoshi Miyagi “Mitridate” in Ströme von Gold”. Platter gehts nicht. Zeitung ist halt meistens 2D und nur wenigen gelingt es kulturelle Events ebenso plastisch darzustellen, wie sie eben auf der Bühne wirken. Tolle Einführung vor der Oper im Foyer übrigens. Wer Internationalität und Interkulturalität schätzt kommt hier voll auf seine Kosten.
Die Stapel Tagesspiegel als Altpapier, die zurzeit täglich entsorgt werden müssen (Foto vom 6.12.2022 18.26h am Südkreux), sind ein weiteres tägliches Ärgernis. So werden bestenfalls fake-news über eine Tageszeitung selbst produziert. Branchenkenntnis über Zeitungsmärkte beklagt das schleichende Rückbau des Mediums. “Zwar setzte sich die Erosion der Absatzzahlen fort, aber sie verstärkte sich nicht. Bei den Regionalzeitungen nahm die Zahl der Abonnements im Westen um drei Prozent auf 7,55 Millionen ab.”(BDZV Relevant 2-2021 S.25). Oft sagen Bilder mehr als Worte und dabei ist goldfarbenes Lametta in der Weihnachtszeit in der Staatsoper vielleicht doch sehr passend.
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