„Sur Clausewitz“ von Raymond Aron (1987) eröffnet die Perspektive auf das Gedankengebäude, Gedankenexperimente, Paradigmen und Theorien des Krieges. Aron beginnt seinen Vortrag 1980 in Berlin mit dem bekannten, markanten Satz von Clausewitz: Der Krieg ist die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln (S.14). Gescheiterte Diplomatie führt dann zur Steigerung der Gewalttätigkeiten. Wichtig ist seine Sicht auf Clausewitz als „théoricien de la guérilla, de l’insurrection populaire“ S.19. Der Begriff der Volksbewaffnung“, den Aron zitiert, haben wir erneut in der Bewaffnung von Personen in der Ukraine beobachten können. Aron hebt in seiner „analyse clausewitzienne“ hervor, dass es nach Clausewitz im Krieg nicht um Siegen geht, sondern um das Erreichen von bestimmten Zielen (S. 33). Siege sind Teil einer Taktik, nicht aber von strategischen Zielen. Das verdeutlicht die rationale Sicht auf Ergebnisse, Einsätze, Verluste und die Zeiten, vor, während sowie nach dem Krieg. Diese rationale Sicht auf Krieg ist erschreckend nüchtern, da Menschenleben nicht emotional in das Kalkül eingehen. Vergangene Kriege werden zur Konstruktion der Theorie verwendet und spätere Autoren wie Raymond Aron verwenden die Theorie zur Subsumierung und Erklärung der verwendeten Strategien späterer Kriege. Eine der überraschend anmutenden Folgerungen von Clausewitz ist beispielsweise die Überlegenheit der Verteidigung gegenüber einem Angriffskrieg. Dieser besteht darin, sich nach anfänglichem Rückzug die Orte der Kämpfe „wählen“ zu können. Zusammengenommen mit der Bewaffnung der Bevölkerung lässt sich im Krieg in der Ukraine, die Möglichkeiten der Verteidigung umreißen. Ein überraschendes Hinauszögern des Krieges ist vielleicht ein kleiner Sieg, es geht aber um die Erreichung von übergeordneten Zielen auf beiden Seiten. Was diese Ziele sind, bleibt zunächst verborgen und ist mehr im Politischen als im Militärischen zu suchen. Russische Innenpolitik, Machterhalt der Militäreliten auf der einen Seite, westliche Anbindung und Unterstützung auf Seiten der Ukraine. So könnte eine „realpolitische Analyse Clausewitzienne“ aussehen. Nüchtern, wie auf einem Schachbrett, eventuell versteckten Regeln folgend, die mit symbolischen Aktionen taktiert, oft die wirklichen Ziele verbergend. Auszug aus Le Monde vom 18.3.2022 ergänzt die Analyse.