Selfie 3D

Wir meinen gerne die heutigen Gewohnheiten, wie die ständigen Selbstbildnisse seien eine Erscheinung des 21. Jahrhunderts. Weit gefehlt. Wer es sich früher schon leisten konnte, hat sich malen lassen. Photographen haben später diesen Markt übernommen. Aber eben auch Kunstschaffende haben seit langer Zeit ihr Selbstbildnis gezeichnet, gemalt und in Stein oder Gips geformt. Selfies sind daher eher die Demokratisierung der Möglichkeiten, sich selbst zu inszenieren. Eben sich so zu portraitieren, wie sie oder er sich selbst sieht, sehen möchte oder gesehen werden möchte. Es ist daher weniger ein narzisstischer Charakterzug die Antriebsfeder, sondern für die meisten Menschen steht ein Teilen, eine Form der Interaktion mit anderen im Vordergrund. Die portraitierte Person ist da, auch wenn sie gerade nicht da ist.
Diese Intention haben Herrschende jahrtausendelang genutzt und sich Mausoleen und Pyramiden errichten lassen. Gut, dass diese Praxis weit in den Hintergrund getreten ist. Heute regeln wir bereits unseren digitalen Nachlass in Ergänzung zu unserer analogen Hinterlassenschaft. Für viele werden dabei, ganze Sammlungen von vielfältigen Selbstbildnissen zu verwalten sein. Die 3D-Ausdrucke unserer Gesichtscanns samt mehr oder weniger noch vorhandener Haarpracht kommen dann in eine eigens vorbereitete Vitrine. Selbstverständlich gehören die MRTs und sonstige Scanns von ZahnärztInnen auch in die Sammlung. 3D ist schon ein guter Anfang auf der Interaktionsreise mittels Selbstbildnis. 4D Realisationen, wie Yoko Ono mit ihrem Cut Piece 1967 kamen dann später. (Photos from Friedrichwerderschen Museumskirche, Berlin 2023 Austellung Ideal und Form, li: Schadow Selbstbildnis, mi: von Kahle, re: Rauch).