Bundesarchiv

Bundesarchive gibt es kilometerweise. Auffinden und Zurechtfinden in Archiven ist eine Vorliebe von historisch Interessierten. Eine Soziologie des Berufs „Historian“ muss wohl noch geschrieben werden. Die Pforte, das Gelände und die Eingangshalle des Bundesarchivs in Berlin-Lichterfelde sind für einige einladend, für andere naja, belastend oder gar belastet. Architektonisch an eine Kaserne der 1930er Jahre erinnernd, ist ein gewisses historisches Umfeld eventuell eine Einstimmung auf eine bevorstehende Recherche. Das freundliche Personal hilft unterstützend über die Registrierung und die Orientierung zu den Beständen hinweg. Sofort ist, wie beim wissenschaftlichen Nachwuchs, die Eingrenzung der Forschungsfrage von Nöten. Die Findbücher, die sortierte Ausdrucke der elektronischen Datenbank „Invenio“ darstellen, lassen einen die Vielfalt der Archive erahnen. Eine einfache soziologische Fragestellung „Homogamie in der NS-Zeit“, also die Praxis von Heirat von Personen mit vergleichbarem sozialem Status, vor während und unmittelbar im Anschluss an die NS-Zeit, verlangt mehrere Datenzugänge. Konstruktion des Zugangs von Männer- oder Frauenseite. Zentraler Zugang geht zunächst über die Bestandsdatei NS 1 „Reichsschatzmeister der NSDAP“. Aus den nationalsozialistischen Frauengruppen entstand am 1.10.1931 die NS-Frauenschaft. Seit dem 29.3.1935 genoss die NS-Frauenschaft den Status einer Gliederung der Partei unter der Leitung von Gertrud Scholtz-Klink. Der Bestand umfasst 3,5 Millionen Aufnahmeanträge und ist in Berlin-Lichterfelde einsehbar. Neben den Mitgliedschaften sind auch besondere Vermerke zu den Gebäuden und Grundstücken der NS-Frauenschaft (BArch/NS 1 5.2.6.4) bspw. im Gau Berlin dokumentiert (BArch/NS 1 2504 und 724). Eine Lebensverlaufsstudie ist da schwierig zu konstruieren. Ein Geburtskohortenansatz dennoch eine interessante Möglichkeit, eventuell auf die Muster von Netzwerken hinzuweisen. Parteimitgliedschaften, Vereine, Verbünde und ihre Rituale wurden scheinbar der Propaganda untergeordnet. Eine These, die es zu beweisen gilt. Die interreligiöse Andrews Chapel auf dem Gelände (im Hintergrund) lässt dann vielleicht wieder zur Ruhe kommen.

Menschen

Im Bundesarchiv in Berlin sind einige Fotos zu einer Variante der Vermessung von Menschen ausgestellt. Nicht nur in den Kolonialregionen wurden Menschen zu rassenideologischen Studien vermessen. Die Kurzbeschreibung dazu und die 2 Bilder reichen, um diese scheinbar wissenschaftliche Praxis zu dokumentieren. Zurecht wird auf den Skandal mit der weiteren Verwendung dieser Daten bis 1981 hingewiesen. Es gab Kontinuitäten von Wissenschaft die heute noch erschrecken lassen. Kritischer Umgang mit jeglicher Art von Daten gehört zu dem Curriculum guter wissenschaftlicher Praxis. Diese darf nicht vor ethischen Fragen Halt machen, auch wenn das die weitere Verwendung der Information blockiert. Der Kinofilm “Der vermessene Mensch” hat dafür erneut sensibilisiert. Ethnologen und Ärzte wurden vielfach in den Dienst von Ideologien gestellt oder haben sie willentlich vorangetrieben, oftmals aus persönlichen Beweggründen. Skandale in und um Archive gehören zur Weltgeschichte, wie die geschichtliche Erkenntnis selbst. Mediale Verbreitung und Bestätigung von Klischees werden schon lange verurteilt, aber mit wenig Erfolg, wie der Deutschlandfunk Kultur selbst berichtet (Link Sendung Fazit). Die Kitas und Schulen haben ihre Hausaufgaben ebenfalls schlecht gemacht (Link). Wo ein Wille ist, ist meistens auch ein Weg, aber wenn der Wille fehlt aufgrund von Stereotypen wird sich wenig ändern.