Dramen

Jon Fosse hat bereits viel Erfolg mit seinen Dramen gehabt. Wahrscheinlich können wir sein umfangreiches Werk mit der Kenntnis von Ibsens Dramen und Becketts Dramen besser verstehen, falls Verstehen überhaupt eine relevante Kategorie ist Fosses Werk. Durchaus vergleichbar mit Beckett hat Jon Fosse früh schon erfolgreiche Aufführungen seiner Theaterstücke neben seiner norwegischen und skandinavischen Heimat in Frankreich. In Deutschland hat der Regisseur Thomas Ostermeier seine Werke in Salzburg und Berlin vor ca 20 Jahren bekannt gemacht.
Suzanne Bordemann beschreibt in ihrem Buch zu der Rezeption von Jon Fosse, wie der schriftstellerische Werdegang des Kunstschaffenden verlaufen ist. Interessant ist dabei die weniger bekannte Ausgangsbasis Fosses als Herausgeber der Literaturzeitschrift Bok oder seine literaturtheoretischen wissenschaftlichen Aufsätze. Selbst seine Tätigkeit als Übersetzer von Dramen aus dem Deutschen und dem Englischen hat sicherlich zu einer Ausprägung von Sprachfertigkeit geführt, die uns heute noch einzigartig erscheint. Schreiben hat enorm viel mit Lesen und stetigem Arbeiten an Texten vielfältigster Art zu tun. Dieses literarische Gesamtkunstwerk ist sicherlich Grund für die höchste Auszeichnung des Gesamtwerks mit dem Nobelpreis für Literatur.
Aus Stille lernen heißt dann für mich, Jon Fosse selbst zu Wort kommen zu lassen. Das hat Suzanne Bordemann in ihrem 2. Kapitel vorgemacht. Als Auszug möchte ich 2 Seiten (S. 26-27) zitieren, die für mich besonders aufschlussreich waren. Sicherlich Grund genug für eine intensivere Befassung mit diesem umfassenden Werk.

Stille

Die Würdigung zum Preis der Stadt Münster für Internationale Poesie 2017 wurde gemeinsam an Jon Fosse und Hinrich Schmidt-Henkel vergeben. In 2023 kennen viele sicherlich den jüngst gekürten Literatur Nobelpreisträger Jon Fosse. Der Preis für Poesie aus Münster hat gleichzeitig den Übersetzer ins Deutsche mit dem Preis bedacht. Personen, die zwei- oder mehrsprachig aufwachsen oder leben, sind mit der Thematik der Übersetzung hinreichend vertraut. Dennoch ist die Übersetzung von Literatur und Poesie eine spannende Herausforderung.
Diese Stille herbeischreiben“ ist der Buchtitel in dem sowohl ausgewählte Beispiele der Poesie von Jon Fosse auf Norwegisch, als auch die Übersetzungen dokumentiert sind. Die einleitenden Beiträge über die Kunst und das Handwerk der Übersetzungen verdienen ebenfalls eine Aufmerksamkeit, da dort die neben Wortschatz, Syntax, Grammatik, Stil auch über den Duktus oder die Haltung des Autors zu seinem Inhalt gesprochen wird. Unmittelbar nach der Begründung der Jury für die Preisverleihung ist das Gedicht „denne uforklarlege stille“, übersetzt mit „diese unerklärliche stille“ abgedruckt (S.70). Dieses Gedicht endet mit den Zeilen:
„Das ist was wir immer wieder erzählen sollen
und was nie erzählt werden kann
Das ist was wir sind und tun“
Jon Fosse ist es gelungen, diese Stille herbeizuschreiben und Hinrich Schmidt-Henkel hat die Herausforderung als ästhetisches Projekt (S.32) gemeistert, sich die Freiheit der Wortwahl zu nehmen und gleichzeitig dem Original treu zu bleiben.
Schon lange bevor es die Übersetzungs-KI gab, war die Kunst der Übersetzung nicht nur das „Was zu schreiben ist,  … und das wie zu schreiben ist“, sondern „auch die Kategorie der Haltung“. (S. 33-34).
Der Begriff der Haltung wir sicher deutlich an dem für Jon Fosse so wichtigen Begriff der Stille. Eine beredte Stille ist zu einer gängigen Redewendung geworden. Wind gehört im norwegischen Kontext zur Stille dazu. Bald wird dröhnt es bei uns wieder in der Vorweihnachtszeit aus den unglaublichsten Ecken „Stille Nacht, …“. Meditation und Stille ist in Religionen ebenfalls allgegenwärtig.
Stille üben fällt schwer. Ein solches Konzept von einer Sprache und Kulturkreis in einen anderen zu übersetzen ist Meisterwerk. Das werden wir noch lange nicht der künstlichen Intelligenz überlassen können. Frage an ChatGPT: „Was ist Stille?“ – … KI: „Stille ist …!” –
Oh just shut up, it was a rhetorical question.

Nobel Literature2023

Jon Fosse has been awarded the Nobel prize for literature in 2023. Alfred Nobel donated the original funds out of his entrepreneurial empire build on the patents for dynamite. The explosives have ample use in peaceful times, but especially at times of war with noisy and destructive explosions. Experiments, with the tragic outcome killed together with 4 other victims his own brother. It did not stop him to pursue his entrepreneurial endeavour. In 2023 the Russian aggression continues to use explosives to kill innocent civilian victims. The sound of bombing continues to traumatise or destroy existences. The Nobel Prize for literature awarded to Jon Fosse does not bring those killed to live, but it is yet another reminder that silence or the absence of Alfred Nobel’s noise is invaluable. Norwegian Fjords and the water all around surely inspired Jon Fosse.
The scope of his writing ranging from theatre, prose to poetry and children’s books is comprehensive and impressive. This is probably all well known to many theatre-goers and readers beyond their mother tongue. For Germany there is an additional feature to the literary work of Fosse. Hinrich Schmidt-Henkel is the almost exclusive translator of the German language editions. This is already an impressive amount of work and long-term commitment to and from a translator as well as the publishing house Rowohlt. The Wikipedia entry for Hinrich Schmidt-Henkel shows the numerous works as translator of Jon Fosse as early as 2001 and still more to come. Additionally, Hinrich Schmidt-Henkel translates other classic authors from Norwegian into German in collaboration with the publishing house Guggolz located in Berlin-Schöneberg.
Besides the passion for translation Hinrich Schmidt-Henkel is active to defend the rights and salaries of translators. The threat to professional translation work by AI-programmes is imminent and just like authors and actors (not only in the USA) face continuing challenges for proper remuneration of their work. Being the German “voice” of Jon Fosse, it depends very much on specific contractual arrangements, whether a translator will also benefit not only from the popularity, but also in financial terms from the “windfall” profits reaped by authors and publishers. This constitutes probably a rather explosive issue, but worthy to be addressed eventually by the Nobel Committee. It is a “winner takes all” system just like with explosives, at least until next year’s awards. (Image Hinrich Schmidt-Henkel presenting Biermann in Staatsbibliothek Berlin 2023-9).

Nobel prize museum

The visit to the splendid Nobel museum in Stockholm is of course a highlight for all scientists. Even if the social sciences including economics do not get awarded an official Nobel prize. More impressions of Stockholm here.

The Nobel prize for peace was awarded to Martin Luther King, but one of the persons he most admired Mahatma Gandhi never received the prize, or not in time before being shot.

… and some like songwriter Bob Dylan (not Dylan Thomas) received the Nobel prize 2016 for literature, most likely to give the Nobel prize a more popular image. Without intonation the poems sound rather flat and do not stand up easily against other previous awardees like Patrick Modiano 2014 or Herta Müller 2009.

Useful sources for further investigations are:
https://www.nobelprize.org/prizes/lists/all-nobel-prizes-in-literature/  or
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Nobel_laureates_in_Literature  , which also contains some enlightening overview statistics (male/female; languages) of laureates.