Schaukel

Sagt die Lehrperson zur Schulklasse: Stellen wir uns alle jetzt mal alle eine Schaukel vor. Wie sieht die Schaukel denn so aus? Was gibt da so drumherum? Könntet Ihr nun bitte versuchen, die Schaukel auf ein Blatt Papier zu malen? Jeder hat seinen Bleistift und einige Buntstifte dabei. Einfach mal versuchen, es gibt keine Noten dafür. Es soll Spaß machen und wer möchte kann sein Bild anschließend den anderen zeigen. Schön, sofort wird es ganz laut in der Klasse und alle legen los. Naja, fast alle, das stille Mädchen aus einer der hinteren Bänke stockt und wirkt unruhig. Sie ist erst seit einigen Monaten in der Klasse und spricht noch nicht wirklich wie die anderen die Ortssprache. Da liegt wohl an der langen Reise, die die nicht mehr ganz so Kleine hinter sich hat. Die meisten Jungen und Mädchen erklären zugleich recht lautstark welche Schaukel sie malen werden. Die vom Garten hinterm Haus, vom Spielplatz nebenan oder sogar die Schaukel unterm Baumhaus im angrenzenden Waldstück. Bei den meisten Kindern steht rasch die Schaukel nicht mehr im Mittelpunkt der Kurzgeschichten, sondern die Freunde oder Kinder mit denen sie gemeinsam schaukeln. Nur unser stilles Mädchen erinnert sich mehr an ihren Reiseweg, bis sie dort in dieser schönen bunten Schule angekommen war. Das waren viele Stationen, von denen sie gar nicht erzählen möchte oder gar ein Bild malen möchte. Die meisten Erinnerungen war so, dass sie diese lieber für sich behalten wollte. Zu weit weg waren sie von den aufgeregten Erzählungen und fantastischen Geschichten der anderen MitschülerInnen. Doch dann hatte sie doch ein Bild vor Augen. Ein Spielplatz in einer großen Stadt, Berlin genannt, ist ihr in Erinnerung geblieben. Als sie diese Schaukel grob, ohne Farbe nur mit Bleistift auf das Blatt skizzierte, keiferte der Banknachbar schon: So sieht doch keine Schaukel aus! Die Neue kann noch nicht mal eine Schaukel malen. Das stille Mädchen blieb weiter still, wusste sie doch genau, dass ihre Schaukel eine Überraschungsschaukel war. In der großen fremden Stadt war ihr diese Schaukel aufgefallen, denn sie war fast so schön, wie die Schaukel an dem starken Ast des Baumes, im Garten ihrer Großeltern. Dadurch verknüpften sich ihre vielschichtigen Erinnerungen zu einem Bild.