Aphorismen L2

“Man soll öfters dasjenige untersuchen, was von den Menschen meist vergessen wird, wo sie nicht hinsehen und was so sehr als bekannt angenommen wird, dass es keiner Untersuchung mehr wert geachtet wird.“ (Lichtenberg S. 50). Eine eindrückliche Warnung sich nicht nur den großen Wellen und Wogen der Öffentlichkeit oder der Wissenschaften hinzugeben. Wo viele nicht hinschauen oder bewusst wegsehen, da gibt es meist einiges zu ergründen. Die Soziologie der kleinen Dinge, der Alltagsgegenstände bringt faszinierende Erkenntnisse hervor. Nehmen wir nur einmal die Bekleidung beim Kochen. Von der Kittelschürze zum gestylten Outfit für die Kochshow zum Gesellschafts-cooking“ haben sich Kleidungsstücke und Berufe in ihrer Funktionalität gewandelt. Dem Anlass entsprechend wird sich gekleidet. Kochen ist von den Hinterzimmern mancherorts ins Zentrum der Gesellschaft mutiert. Wertschätzung von Handwerk und delikate Zubereitung sollten Rekrutierung erleichtern. Bleibt nur noch die Arbeit drumherum. Einkaufen, Einräumen, Einweichen, Abtrocknen, Aufräumen. Die Arbeit geht uns nicht aus, sie verändert sich nur. Wertschätzung der kleinen Aktivitäten, desjenigen, „was von den Menschen meist vergessen wird, wo sie nicht hinsehen“ kann so aufschlussreich sein. Hinschauen und Verstehen lernen bleibt angesagt. Lichtenberg weiter: „Man frage sich selbst, ob man sich die kleinsten Sachen erklären kann; dieses ist das einzige Mittel, sich ein rechtes System zu formieren, seine Kräfte zu erforschen und seine Lektüre sich nützlich zu machen.“ Aphorismen können ein ganzes Forschungsprogramm auf den Punkt bringen und so die kleinsten Beiträge noch als nützlich erweisen. (Foto: Schreibatelier von George Sand in Nohant).