Diplomatin

Der Roman von Lucy Fricke über Diplomatie und Diplomaten ergänzt in recht unterhaltsamer Weise die eher trockene und abstrakte Literatur zur internationalen Politik. Gute Bettlektüre für den politisch interessierten Menschen, der gerade im Urlaub ist. Diplomatie schläft nicht und macht wenig Urlaub. Urlauber dagegen machen den Diplomaten oft ganz schön zu schaffen. Die geduldigen Mittel und Wege der Diplomatie sind nun wirklich nicht jeder Frau oder Manns Sache. Wenn sich Emotionen einmischen wird die diplomatische Herausforderung zu einem nahezu unauflöslichen Konflikt. Diskretion und Verschwiegenheit sind elementar in diesem Beruf. Geduldsproben an der Tagesordnung, ständig und bei allen Dienstgeschäften. Ein nachvollziehbarer Einstieg in diese Berufswelt in Form eines Romans sollte Pflichtlektüre für alle sein, die sich diesem Berufsfeld oder der Aufgabe annehmen wollen. Gut, dass es eine Diplomatin beschreibt. Das gibt eine erfrischende neue Perspektive. Vielleicht auch Anregung über eine feministische Aussenpolitik nachzudenken.

Wenig beleuchtet werden die politischen Umstände, die nur als Staffagen für die Erzählungen herhalten müssen. Taksim Platz samt Wasserwerfer interessiert wohl nur am Rande. Das ist schade, weil es verpasste Gelegenheiten sind, Menschenrechtsverletzungen zumindest kurz anzusprechen. So kratzt die Erzählung nur an der Oberfläche von Personen und dem wirklichen Geschäft der Diplomatie. Aktion in den Vordergrund zustellen ist gut für die Story und Verfilmungen, aber der Kern der Diplomatie muss anders aussehen. Etwas Heimaturlaub konfrontiert die Diplomatin dann erneut mit der weitreichenden Gleichgültigkeit gegenüber der diplomatischen Arbeit. Leben organisieren und Aufräumen bleiben auch im Privatleben der Diplomatin eine Herausforderung der Work-life balance.

Wessen Wetter

Wessen Wetter ist es denn? Mitten in einem Gewitter deklamieren Leute heute noch, “Um Gottes Willen“! Selbst in 2023 vereinen sich Leute und beten für Regen. Dabei wissen wir längst, wie der Regen entsteht, Feuchtigkeit in Wolken über weite Strecken zieht und schlußendlich als Regen über uns kommt. Dafür haben wir Dächer vorgesehen, mehr oder  weniger solide und dicht. Regenwasser sammeln, sickern lassen, Rückhaltebecken erweitern; das sind alles Vorkehrungen gegen größer werdende Unwetter des menschengemachten Klimawandels. Beten sowie Meditieren kann dem Einzelnen helfen, sich zu fokusieren und Kräfte zu sammeln. Gemeinschaftserlebnisse stärken Resilienz.
Wetter ist in der Tat eine tägliche Art von Gemeinschaftserlebnis, oft lokal begrenzt, aber meist regionenspezifisch und manchmal ein landes- oder gar europaweites Phänomen. Neben den staatlichen Meteorologischen Instituten gibt es bereits immer mehr “citizen science” Projekte zum Wetter. Das belgische Beispiel (s.u.) zeigt eine Vernetzung von Bürgerinnen, die Spaß und Interesse am Wetter und am Teilen sowie Partizipieren haben, kann das Messstationsnetzwerk der staatlichen Wetterdienste erweitern und eine alternative Vorhersagemöglichkeit bieten. PollenAPPs nutzen ebenfalls die Leidensstärke von allergischen Personen, um ihre Pollenbelastung spezifischer zu erfassen und Prognosen zu verbessern.
Ciitzen Science ist ebenso ein wechselseitiger Lernprozess, der das Wissen und Methoden einzelner Wissenschaffenden quasi basisdemokratische “bottom up” Wissenschaft gegenüberstellt. Stärken und Schwächen der jeweiligen Vorgehensweisen müssen untersucht werden, besonders mit Blick auf “fake news” oder “fake data”. Nicht nur erschreckend viele Forschende in der Wissenschaft produzieren “fake data and science” (Sabel et al. 2023) für fragwürdige Reputation und Karrieren. Bürgerinnen, die Daten sammeln und eigene Analysen, Vermutungen oder Hypothesen vornehmen, können Wissenschaft erweitern, andere ermuntern und wertvolle, viele, kleine Beiträge leisten.
Schwarmintelligenz beim Wetter praktizieren bereits die Schwalben. Das könnten wir vielleicht von diesen lernen. Bei Vervier in Belgien sowie an der Ahr in Rheinland-Pfalz sind mehr als 100 Menschen gestorben, wegen unpräziser Vorhersagen und Verzögerungen bei der Übermittlung der akuten Gefahrensituation.
Citizen Science kann Leben schützen, genauso wie es andere dringend nötige Freiwilligendienste bereits bewiesen haben. Das sind mal ganz andere vielfältige, bunte Wetteraussichten.

Wetter

Heute ist jede/r ein Hobby Meteorologe/in. Vor länger Zeit scherzten wir noch: Kräht der Hahn auf dem Mist, ändert sich’s Wetter oder es bleibt wie’s ist. Das zwar heute immer noch richtig, aber die Wettervorhersagen für den Hobby-Wissenschaffenden sind komplizierter geworden. Der niederländische Wetterdienst berichtet, täglich fallen 500 Gigabyte an Meteo-Daten an. Damit wäre unser Mobiltelefon dann schon mal längst voll, jeden Tag von Neuem. Wir nutzen meistens nicht nur eine App, sondern eine mit Regenradar („Rain today?“), stündliche Windvorhersage („Windfinder“), fürs Drachenfliegen oder Kiten, Pollenflug („Pollen“) nicht vergessen, sortiert nach persönlichen Allergenen.
Wer es dann noch etwas wissenschaftlicher möchte, der benutzt die aufbereiteten Daten in Frankreich, die gleich die 25-jährigen Durchschnitte mit Tagesverläufen der Temperaturen samt Höchst- und Tiefstwerten. Damit lässt sich dann vorzüglich fachsimpeln zu Erderwärmung, Klimawandel und Traumreisen nach Cannes (Nizza) mit seinen viel zu hohen Durchschnittstemperaturen im Sommer 2023. „Homo faber“ von Max Frisch lässt grüßen, nur ist es kein Fotoapparat, sondern das gleich mehrmals tägliche Ablesen der Außen- und Innentemperaturen, samt Luftfeuchtigkeitswerten und Informationen diverser Apps. Nach diesen Akten, Fakten und Datenstudium lässt sich die tägliche Ankleidungsentscheidung treffen. Kurze oder lange Hose, Regenjacke, T-Shirt oder Pullover. Vielleicht gehen wir auch einfach zur Arbeit oder nach draußen und genießen die Abwechslung. Das Wetter ändert sich, meist ohne unser Zutun oder Abschätzung. Genug gekräht und wieder runter vom Mist.