Pastiche

Die lange Tradition der “Pastiche“ (BnF, 2023) der französischen Presse ist nur wenig über Frankreich hinaus bekannt. Sicherlich kennen viele den wöchentlich erscheinenden „Canard enchainé“ oder die Satire-Zeitschrift  „Charlie Hebdo“. Die witzigen, fälschenden Plagiate von bekannten Zeitungen und Zeitschriften, Pastiche genannt, haben einen Kreis an Liebhabenden, die sich ihren Humor nicht nehmen lassen. In Gesprächen gilt oft die humorvolle Sichtweise auf Politik, oder das tägliche Leben, als intelligent. Eine andere, unübliche oder gar verbotene Perspektive auf einen Sachverhalt kann ja bekanntlich zu einiger Erheiterung beitragen. Was sich seriöse Medien nicht erlauben, darf dann schon mal in den Pastiche vorkommen. Wie weit darf Humor gehen bis Humor verletzend oder gesetzeswidrig wird. Diese Grenzen sind je nach Kultur und politischen Gegebenheiten verschieden. In Frankreich lässt man/frau sich nicht den Augenzwinker verbieten. Übersetzen lassen sich die oft indirekten Anspielungen nur schwer. Viel Hintergrundwissen, oft nur von kleinen Gruppen von Personen, ist zum Verständnis nötig. Da wird vielfach erst auf den 2. Gedanken gelacht oder geschmunzelt. Die Bestände der BnF daraufhin zu sichten oder überhaupt die Kategorie zu führen, sogar als eine Literaturgattung, ist beachtlich. Nachrevolutionärer Karneval ist eben 365 Tage Narrenfreiheit. Das Recht und Gesetz dazu, wird wohl gut definiert sein. Majestätsbeleidigung wird es da nicht mehr im Strafbuch geben, was zu überprüfen ist.

Flotow Brief

Von Frédéric de Flotow habe ich bisher wenig von seinem Schriftverkehr in öffentlichen Bibliotheken (BnF) auffinden können. Beachtlich sind die Funde in den Pariser Bibliotheken. Neben einem auf Deutsch geschriebenen Brief sind dort 4 weitere, teilweise mit mehreren Blättern im Original erhalten. Es handelt sich dabei um Briefe, die mit Auftraggebern für seine Werke korrespondieren oder Besuche bei Bekannten, die sich meist verschieben oder schwer arrangieren lassen, denn der Komponist und spätere Intendant von Schwerin ist viel beschäftigt. Die zahlreichen Werke und Opern sind eine zeitraubende Angelegenheit, die Inspiration und Imagination brauchen, aber gleichzeitig eine aufgesprochene Fleißarbeit fordern. Talent ja, aber eben auch Durchhaltevermögen und ständige Suche nach geeigneten Libretti. Die Schrift, auf feinstem Briefpapier meist mit traditionellem Wappen der Familie Flotow eingestanzt, ist so klein und feingliedrig, dass mir bereits nach einer halben Stunde die Augen brannten. Ein Brief erwähnt das mögliche Engagement der italienischen Sopranistin Frezzolini an der italienischen Oper in Paris, die doch vielleicht schon die Hauptrolle in der Flotowschen Oper Martha übernehmen könnte. Der Opernchef Calzado könnte ihm (Flotow) doch vielleicht diese Ehre zu Teil werden lassen (Quelle: BnF Flotow, 1958 an Calzado, Notice n° :  FRBNF39807946 S.159). Der Komponist schreibt ein fließendes, höfliches Französisch mit den üblichen Grußformeln. Seine Lehrjahre in Frankreich lagen dabei schon einige Jahre zurück. Sprachbegabung verbindet sich häufig mit musikalischen Talenten, was sicherlich von der frühen Zweisprachigkeit befördert wurde. Beeindruckend zu sehen und in einem kleinen Auszug zu lesen.

Rhetoricae artis

“Die Kunst der Rhetorik und der positiven Fähigkeit” ist eine kleine Wissenschaft. So hieß es bereits 1475 in dem von Guillaume Rardif veröffentlichten Buchdruck aus dem “Atelier du Soufflet Vert”. (BnF, Réserve des livres rares, Rés. X-1118). Als Teil der Ausstellung zum Buckdruck entnehmen wir 5 wichtige Hinweise für die Kunst der öffentlichen Rede: (1) inventio = (Er-)findungskraft, (2) dispositio = Anordnung, Gliederung, (3) elocutio = Ausdrucksweise, Stil, (4) memoria = Erinnerungsvermögen, (5) pronunciatio = Urteilskraft.
Ein kritzelnder Leser hat mit Bleistift die 6 Teile angefügt. Exordium = Einleitung, Narratio = Erzählung, Sachverhalt, partitio = Einteilung, und schließlich die dialektik mit Confirmatio, Rufusation, Conclusio. Abweichungen von diesem rhetorischen Schema sind noch immer selten. Das galt wohl seit dem 15-ten Jahrhundert schon für Predigten und wissenschaftliche Vorträge. Alles altes Latein, oder was? Die heute übliche “Elevator-speech” folgt anderen Regeln. Die Aufmerksamkeitsökonomie und Flut der Informationen erzwingt viel kürzere Redezeiten. Die Nachhaltigkeit der Botschaft wird anders erzeugt. Bildlichkeit ist Trumpf in Erscheinung und Auftritt. Auch das will gelernt sein. Die Bücher damals waren selbst ästhetische Kunstwerke und dennoch Arbeitsbücher, leider nur für sehr wohlhabende Studierende.

Stabi Ost

Die Staatsbibliothek zu Berlin hat 2 Standorte: Unter den Linden im Ostteil und Potsdamerstraße im Westteil der Stadt. Inhaltlich muss ich mal hierhin und mal dahin. Das macht nichts, denn es lässt sich so die Architektur und die Kunst am Bau vergleichen, als Begleiterscheinung. Meine Lieblingswerke sind die Leuchten in der Stabi West und die Uhren in der Stabi Ost. Die Architektur des frühen 20.-ten Jahrhunderts im Osten ist eher furchterregend und nicht wirklich einladend finde ich. Damals waren in Deutschland Bibliotheken noch elitären Kreisen vorbehalten, wie in der Bibliothèque nationale de France in Paris hatte die Stabi Ost einen runden Lesesaal, der wurde aber in dem Wiederaufbau nicht erhalten. Die eckige Variante in der Mitte der historischen Außenwände erscheint ungemütlich und in der Tat braucht die ungemütliche, unrühmliche Geschichte Deutschlands ständig solche Erinnerung daran. Neues Licht auf die historische Schatten werfen, durch die transparente Dachkonstruktion, ist in der historischen Sammlung an den Rändern jedem Nutzenden möglich. Das Treppenhaus ist in der offenen Bauweise der Stabi West mit den Leuten (allerdings aus Plastik) einladender. Aber das sollte jeder selbst auf sich wirken lassen. Heute profitieren wir von der Zugänglichkeit bei kostenloser Nutzung der Säle und Bestände in Berlin und der zentralen Erreichbarkeit beider Bibliotheken.

Du sollst mehr lesen

In unseren hektischen Zeiten, kommt so ein Aufruf immer passend. Statt Reisen kann ja auch online erkundet werden. Alles bildet, heute multimedial versteht sich. Dennoch lässt es sich wunderbar statt im stillen, heute kalten, Kämmerlein in öffentlichen Bibliotheken stöbern oder recherchieren. Die Bibliothèque nationale de France hat dazu eine alte gute Stube renoviert und richtig herausgeputzt. Die Kathedralen der Moderne in Stockholm, Brüssel mal flämisch, mal frankophon setzen auch bereits auf Zugänglichkeit für alle. Das Konzept war bereits in Paris in den aufgestellten Büchern, der Bibliothekstürme der BnF präsent. Begehbare Bücher samt Garten, Ausstellungen und Treffpunkten ziehen viele Besuchenden an. Mit dem historischen Standort Richelieu im Zentrum von Paris nahe Chatelet ist eine neue Dimension entstanden. Ob es gelingen wird, Touristen zu Lesenden und zu Lernenden weiter zu entwickeln, bleibt eine wichtige Frage für das Überleben unserer Kulturen und Demokratien. Neben der zur Schaustellung von Büchern gibt es auch Zugang zu neuen Medien und ein Set für virtuelle Realitäten zu Ausstellungen moderner Künstler seit dem Impressionismus. Die Verknüpfung von Kunst-, Geistes- und Architekturgeschichte mit aktuellem Design (neue Designerstühle) ist gelungen, Probesitzen eingeschlossen. So erschließen sich neue Traumwelten und harte Realitäten in einem Zug.