Grenzgang

Eigentlich wissen wir gar nicht mehr, was eine Grenze im Schengenraum der EU darstellt. Viele Arbeitende überqueren eine Grenze täglich, sozusagen als Arbeitsweg. Die Logik dafür ist vielfältig. Mal gibt es mehr oder besser bezahlte Arbeit im Nachbarland, mal ist es der preisgünstigere Wohnraum oder die Liebe. Diese Herzstücke Europas haben viel Selbstverständlichkeit, aber auch spezifische Belastungen mit sich gebracht. Das Europa der Grenzregionen bleibt für die meisten eine ständige Herausforderung. Regeln gelten meist noch nach Ländergesetzen. Sozialversicherungen sind ein besonderes schwieriges Thema. Das betrifft gerade die vielen Grenzüberschreitenden besonders hart. Misstrauen bei Sozialkassen ist die Regel und nicht die Ausnahme. Da wird dann schnell doppelt von Grenzgängerinnen abkassiert. Bei großen Katastrophen, bei denen die Medien überall hinsehen, stellen sich viele Politikerinnen ein. Für das Klein-klein des täglichen Lebens fehlt oft die Nachhaltigkeit der Handelnden, um wirkliche Verbesserungen zu erreichen.
Seit Jahren fahre ich beispielsweise in der schönen Grenzregion bei Aachen und Vervier mit dem Zug zwischen den beiden Ländern, doch dort scheint seit Jahrzehnten die Zeit still zu stehen. Wer mit ICE oder THALYS von Metropole zu Metropole fährt, rast mal eben vorbei. Die Bürgerinnen vor Ort dürfen sich zu Recht etwas abgehängt fühlen, bleibt für sie doch meist nur der Lärm der vorbeirasenden Züge. Zwischen Deutschland und Belgien gibt es für Grenzgängerinnen noch eine richtige Bimmelbahn. Sie wissen schon, die fährt langsam und kommt trotzdem an. Und das stündlich hin und her oder kreuz und quer. Leider wächst Europa selbst im Zentrum nur sehr gemächlich zusammen. Ob wir so viel Zeit noch haben, bevor undemokratische Kräfte die Uhren wieder zurückdrehen, bleibt eine Überlebensfrage für uns überzeugte Europäer.